Die „Kibo”-Fasnachter lassen es bei ihrer Prunksitzung in der Stadthalle fünf Stunden lang krachen.
Provokation, Witz, Charme. Auf der ersten Prunksitzung der KiBo-Karnevalgesellschaft flogen am Samstagabend in der Stadthalle die Fetzen. Schillernde Wortakrobatik, geflügelte Bonmots! „Ki- bo Fasnacht für Groß und Klein, lasst uns mit Nora frö(h)lich sein“, führte Sitzungspräsident Karlheinz Bieck das 2016er Motto und seine neue Prinzessin, Nora I. Frölich, vor. Die Aktiven zauberten ein blendendes Programm auf die Bühne: pikant-piksende Büttenreden, furiose Tänze, klasse Ideen.
Erst glaubte man, alles gehöre zur Show. Das laute Knistern, das kratzige Knarren. Als Rainer Conrad, eingehüllt in grünes Glitzer-Sakko, jedoch entschuldigend die Arme hob, räumte er ein: „Wir hätten Ihnen gerne mehr gezeigt. Das geht aber nicht.“ Die Musik ruckelte, CD-Hänger.
„So ist nun mal Live-Show“, seufzte der Showmaster des witzig-kecken Nachtkappen-Varietes „Viva Las Vegas“. Geklimpert hatten sie, furchtbar schief gesungen (natürlich gewollt), Zauberer imitiert – es war ein wildes Potpourri, ein Sahnestück. Bis die Musik streikte. Nicht schlimm, im Gegenteil. Irgendwie ließ der Patzer kurz vor 0 Uhr die Show charmanter, noch echter wirken. Es wurde improvisiert. „Weißt du, wie lange ich geschminkt wurde?“, feixte der als Häschen rausgeputzte David Enders. Er kam nicht zu seiner Einlage…
Die Kibo-Fasnachter ließen es am Samstag krachen. Fünf Stunden Feuerwerk. Das begann beim Bühnenbild – einfach und doch wirksam. Grün, gelb, rot. Der Name „Nora“, für die neue Prinzessin Nora I. Frölich, explodierte über dem Elferrat, umrahmt von schwarzer Kulisse. Genial: die Auftritte der Redner. Als Protokoller stach Ernst-Ludwig Huy, verpackt unter schneeweißer Barock-Lockenpracht, den Stachel kräftig dort rein, wo es wehtut. Orangerie, „City-Outlet“ – und besonders wir von der RHEINPFALZ bekamen das Fett weg. „Respektlos, hinnerlistich un iwwerzwerch. Du weesch nimmi, was es vun vor un was vun hinnerm Berch“, wütete Huy unnachahmlich rau über das neue „Durcheinander”. Protokoll xhinerzt, soll es ja.
Frech auch die Jugend in der Bütt, mit Lionel Sommer und Lukas Jäger. Weg wollen sie von zuhause, am besten in eine WG – nur wer putzt und kocht? Hotel Mama hat ausgedient. Die Antwort von daheim trifft Lukas wie ein Fausthieb. „Mein lieber Sohn, wenn du es wagst auszuziehn, schrubbst du die Fliesen auf deinen Knien. Und eines ist ganz sicherlich, in drei Wochen stinkt dein Bad nach totem Fisch.“
Überragend die Idee der Chaosnarren, auf ihrer „Mission to Mars“. Ihr Raumschiff landet Bruch. Und die drei Astronauten wackeln, mit kühlem Blonden, durch das All. Die Schrottbrüder Ludolf, eine Invasion blauer, einäugiger Mars-Männchen, der Tech-Nik vom Saturn. Was für Ideen! Ein Mega-Mix aus Büttenrede, Volkslied, Tanz und Playback. Ähnlich: das „Riwer un niwer“ danach. In Bademantel, am Strand, mit Gummipalmen. „Wie nennt man einen Spanier ohne Auto?“ – „Car-los.“ Witze, so flach wie die Niederlande. Und deswegen wohl auch süffisant.
Eines ist aber klar: Die Kibo-Fasnacht ist keine der seichten Sitzungen. Anspruch, Verständnis. Viel wird geredet, sie überzeugt durch pointierten, spitzen Humor. Mehr aber noch durch wahre Kreativität, durch Gedankenspiele. Als Malle-Obstverkäufer Don Alfredo lief Patrik Sommer auf – und bildete das Strandverhalten von Deutschen, Russen, Engländern eins-zu-eins ab. „Von Kopfe bis Fuße, an die große Zehen will Mutti nur noche Creme sehen“, nahm Sommer, lispelnd mit, Strohhut, die Deutschen aufs Korn.
Frank Müller und Kai Willig boten sich den klassischen Schlagabtausch, aus dem Berufsalltag gegriffen. Willig, der Lehrer, mit energischer Stimme, mit Power und Kraft, Müller mit treudoofer Mimik. Extraklasse und Beweis dafür, dass alleine ein Text keine Garantie für Lacher bietet. Intonation heißt das Zauberwort – beide beherrschen sie.
Wie Sitzungspräsident Karlheinz Bieck, der Fasnachts-Haudegen mit kratzig-schriller Stimme. Als „Schlappmaul“ Frieda feuerte er die Pointen raus, an der Seite von Willig („Helga“) im rosa Tütü. Passend dazu frisierte der tuntige Haarschneider Matthias Schildknecht unter pinkner Haube seine zwei Ur-Männer Andreas Eich und Frank Partsch. Der eine Trucker, der andere mit Altherren-Tonsur. Ein Small Talk im Friseur-Salon. Schildknecht kokettierte mit doppeldeutigen Phrasen wie „Magste ne warme Latte?”
Was wäre Fasnacht ohne Tanz, ohne Musik? Kibo kann sich glücklich schätzen. Die Tanzschule „Flex & Point”, das Erbe von Meisterin Isolde Dierks-Bulenda, stellte eine herausragende, disziplinierte Formation. Viermal donnerte sie über die Bühne, klasse auch die vielfältigen Kostüme. Weiß-rot blinkende Gardekleidchen, gruselige, dunkle Geisteroutfits, Nonnenkutten, Marschuniformen. Teilweise 42 Mädels wirbelten übers Parkett! Räder, Hebefiguren, Akrobatik. Mal umwoben von dichtem Nebel, mal zu heiligen „Sister Act“-Takten. Hallelujah.
Dazu präsentierte sich der Jungelferrat als Kosaken-Ensemble, mit „Schnorres“ und russischer Uschanka-Mütze. Als die „Nachtschwärmer“, geleitet von Kapellmeister Joachim Henrich und Stephan Tuchel, zum Finale riefen, stand jeder im Saal. Zur „Neuen Deutschen Welle“ wurde gefeiert. Kibo ist eben, wo man singt und lacht…
Quelle: Die Rheinpfalz vom 18.01.2016, Peter-Pascal Portz